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Wermutkraut - Absinthii herba [Ph. Eur. 04/2011:1380; Englische Bezeichnung: Wormwood]

Stammpflanze: Artemisia absinthium L. / Wermut [Fam. Asteraceae / Korbblütengewächse]. Synonyme: In der wissenschaftlichen Literatur praktisch nie gebraucht. In älteren Quellen Absinthium majus GEOFFR., A. officinale LAM., A. vulgare LAM. Dt. Synonyme: Absinth, Alsem, bitterer Beifuß, Wiegenkraut, Wurmkraut. Englisch: wormwood, absinthe, absinthe wormwood, absinthium.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Ein Alter von bis etwa 10 Jahren erreichender, bis 1,5 m hoher Halbstrauch, aromatisch duftend und mit bitterem Geschmack. Oberirdische Teile bei mittel- und nordeuropäischen Pflanzen im Winter bis zum Boden abfrierend. Stengel aufrecht, im oberen Teil verzweigt, graufilzig behaart. Blätter auf beiden Seiten dicht behaart, untere Blätter lang gestielt, mit im Umriss dreieckigen bis eiförmigen, 2- bis 3fach fiederschnittigen Blattspreiten, obere weniger geteilt, oberste ungeteilt und lanzettlich. Blütenkörbchen zahlreich, angeordnet in einer reichköpfigen, aufrechten, reichästigen Rispe, kurz gestielt und nickend, Durchmesser 2,5-4 mm. Hüllblätter grau, seidig-filzig behaart, vorne abgerundet. Blütenboden durch zahlreiche, bis 1 mm lange Spreublättern rauhaarig. Köpfe nur mit Röhrenblüten, innere zwittrig, bis 2 mm lang, gelb gefärbt, die wenigen äußeren weiblich, mit weit heraustretenden Griffelschenkeln, hellgelb. Früchte ca. 1,5 mm lang.

Verbreitung: Heimisch in den Trockengebieten des gesamten Eurasiens: NW-Afrika, mit Ausnahme des nördlichen Skandinaviens ganz Europa, gesamtes gemäßigtes Asien bis O-Sibirien, Zentralasien, Indien bis zum tropischen Jammu und Kashmir. Eingebürgert in weiteren Regionen der Erde (z. B. Nord- und Südamerika, Neuseeland).

Droge: Die ganzen oder geschnittenen, getrockneten basalen Laubblätter oder die getrockneten, zur Blütezeit gesammelten oberen Sprossteile und Laubblätter oder eine Mischung der zuvor genannten Pflanzenteile, die bezogen auf die getrocknete Droge einen Mindestgehalt an ätherischem Öl von 2 ml / kg (0,2 %) aufweisen.

Beschreibung der Droge: Laublätter grau bis grünlich und beidseitig dicht behaart. Untere Blätter lang gestielt, 2- bis 3fach fiederschnittig, im Umriss dreieckig bis eiförmig, mit rundlichen bis lanzettlichen Abschnitten. Stengelblätter weniger geteilt, Blätter im Bereich der Sprossspitze lanzettlich. Stengel im Durchmesser bis 2,5 mm, meist mit 5 flachen Längsrillen, im Bereich der Blütenstände grünlichgrau und behaart. Zahlreiche Blütenkörbchen in Rispen, die den Achseln der kaum fiederschnittigen bzw. lanzettlichen Blätter im oberen Bereich der Sprossachse entspringen. Blütenkörbchen kugelig bis flach halbkugelig, Durchmesser 2-4 mm, innen mit zahlreichen ca. 2 mm langen, gelben, zwittrigen Röhrenblüten, außen mit wenigen gelben, weiblichen Randblüten, die von einem doppelten Hüllkelch umgeben werden, der aus äußeren, linealischen und inneren eiförmigen, an der Spitze abgerundeten, mit einem breiten Hautrand versehenen Hüllblättern besteht.

Geruch und Geschmack: Geruch charakteristisch aromatisch, Geschmack aromatisch und stark bitter.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Magenkraut, Wermutkraut. Englisch: Wormwood. Lateinisch: Herba Absinthii, Absinthii Cacumina florentia, Summitates Absinthii.

Herkunft: Überwiegend aus dem Anbau, selten auch aus der Sammlung aus Wildbeständen. Importe insbesondere aus Ost- und Südosteuropa.

Inhaltsstoffe: Ätherisches Öl, Bitterstoffe, Flavonoide und weitere phenolische Komponenten. Für die Wirkung und Anwendung bedeutungsvollste Bestandteile sind das ätherische Öl, und die Sesquiterpenlactone. Ätherisches Öl: Gehalt 0,2-1,5 % (Mindestgehalt entsprechend Europäischem Arzneibuch: 2 mL/kg). Bestehend überwiegend aus Monoterpenen und flüchtigen Sesquiterpenen. Exakte Zusammensetzung je nach Chemotyp recht variabel. Jeder der vier wichtigsten Chemotypen ist durch jeweils eine Hauptkomponente charakterisiert, deren Anteil bis zu 40 % des Öls betragen kann: ß-Thujon, cis-Epoxycimen, trans-Sabinylacetat, Chrysanthenylacetat. Neben diesen wurden inzwischen etwa 90 weitere Komponenten identifiziert. Zu diesen zählen u. a. die Monoterpene Linalool, Cineol und Thujylacetat sowie die Sesquiterpene a-Bisabolol, ß-Curcumen und Spathulenol. Bitterstoffe: Gehalt 0,15-0,45 %. Chemisch handelt es sich um nicht flüchtige Sesquiterpenlactone. Hauptkomponenten sind die Guajanolide Absinthin (Gehalt ca. 0,20-0,28 %, Bitterwert 12.700.000) und Artabsin (Gehalt ca. 0,04-0,16 %, Bitterwert 486.000), daneben noch Isoabsinthin, Absintholid und Artenolid sowie weitere Guajanolide und einzelne Eudesmanolide. Flavonoide: Vorkommend sowohl als Glykoside (u. a. Glykoside des Quercetins und Kämpferols) als auch in Form lipophiler Aglykone (u. a. Artemisitin). Weitere Bestandteile: Kaffeesäure und andere Phenolcarbonsäuren, Cumarine und Lignane.
Wirkungen: Infolge des Gehalts an ätherischem Öl und Bitterstoffen wird Wermut eine tonisierende Wirkung auf die Magen- und Gallenwege sowie eine karminative, choleretische und spasmolytische Wirkung zugeschrieben. In pharmakologischen Untersuchungen an Hunden wurde durch Gabe einer Abkochung aus Wermuth eine dreifach gesteigerte Ausscheidung von Galleflüssigkeit nachgewiesen. In einer Studie am Menschen kam es nach Applikation eines alkoholischen Extrakts zu erhöhten Konzentrationen verschiedener für die Verdauung bedeutsamer Substanzen (u. a. Cholesterol und die Enzyme a-Amylase und Lipase).
Anwendungsgebiete: Appetitlosigkeit, dyspeptische Beschwerden, Dyskinesien der Gallenwege.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: Für den bereits von Hippokrates gegen Gelbsucht, Tetanus und als uterusreinigendes Mittel angewandten Wermut existieren auch heute noch nahezu unzählige Anwendungen in der Volksheilkunde. Zu diesen zählen der innerliche Gebrauch gegen Magen- und Darmatonie, bei Gastritis, Magenkrämpfen, Leberbeschwerden, Blähungen, Blutarmut, unregelmäßiger oder zu schwacher Menstruation, Appetitlosigkeit sowie bei Wurmbefall sowie die äußerliche Anwendung bei schlecht heilenden Wunden, Geschwüren, Hautflechten und Insektenstichen. Abgesehen von den unter "Anwendungsgebiete" genannten Indikationen existieren für die volksmedizinischen Anwendungen keine Wirksamkeitsnachweise.

Gegenanzeigen: Nicht anzuwenden bei Geschwüren von Magen und Dünndarm sowie während der Schwangerschaft und Stillzeit.
Unerwünschte Wirkungen: Nicht bekannt bei bestimmungsgemäßem Gebrauch.
Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Keine bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Mittlere Tagesdosis: 2 bis 3 g Droge als wässriger Auszug. Bei Appetitlosigkeit eine halbe bis eine Stunde vor den Mahlzeiten einnehmen, bei dyspeptischen Beschwerden den warmen Tee nach den Mahlzeiten trinken. Zur Teebereitung einen halben Teelöffel mit Wermutkraut mit heißem Wasser (ca. 150 ml) übergießen und nach etwa 10 min durch ein Teesieb geben. Zur äußeren Anwendung zur Wundreinigung und bei Insektenstichen eine Handvoll Wermutkraut in 1 Liter Wasser geben und 5 min kochen. Maximale Anwendungsdauer: 3-4 Wochen.

Sonstige Verwendung: In der Vergangenheit u. a. als Mittel gegen Flöhe und Läuse, junge Blätter gebacken in Eierkuchen und Auszüge aus der Pflanze als Bestandteil von Hexensalben und -getränken. Seit langem und auch heute noch zur Herstellung von Absinthschnaps, bei dem es sich um ein Wermutdestillat handelt (exzessiver Genuss kann zu Schwindel, Muskelzuckungen, Krämpfen, Erbrechen, Bewusstlosigkeit bis hin zu epilepsieähnlichen Anfällen führen!!!; in verschiedenen Regionen als wehentreibendes und Abtreibungsmittel verwendet!!!). Das aus Wermut gewonnene ätherische Öl wird in der Parfümindustrie verwendet.

Wissenswertes: Zur Herstellung von Wermutwein verarbeitet man hauptsächlich Römischen Wermut (Artemisia pontica).


Bilder:

Auffälligstes Merkmal der ganzen Pflanze ist die silbrige Behaarung. Dies gilt auch noch für die Droge (Abbildung rechts), als deren typischste Bestandteile die 5 Längsrillen aufweisenden Stengelbruchstücke (im Bild links in der Mitte sowie unten) und die kugeligen Blütenkörbchen mit den gelben Röhrenblüten zu betrachten sind.


Literatur: USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN). [Online Database] National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Available: http://www.ars-grin.gov/cgi-bin/npgs/html/taxon.pl?4274 (27 October 2003); Hager-ROM 2003, Springer-Verlag; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 228 vom 05.12.1984; Europäisches Arzneibuch, 4. Ausgabe, Grundwerk 2002 sowie 5. Ausgabe, Grundwerk 2005; Teuscher E, Biogene Arzneimittel, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 1997; Hänsel R, Sticher O, Steinegger E, Pharmakognosie - Phytopharmazie, Springer Verlag, Berlin Heidelberg 1999; ESCOP Monographie Absinthii herba - Wormwood; Marzell H, Wörterbuch der Deutschen Pflanzennamen, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1943. Madaus G, Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, Thieme Verlag, Leipzig 1938.


© Thomas Schöpke