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Angelikawurzel - Angelicae radix [Ph. Eur. 7.0 (01/2011: 1857)]

Stammpflanze: Angelica archangelica L. / Engelwurz [Fam. Apiaceae / Doldengewächse]. Synonyme: A. archangelica KARSTEN, A. major GILIB., A. offinicalis MOENCH, A. sativa BESSER, A. sativa MILLER, Archangelica officinalis HOFFM., Selinum angelica LINK. Dt. Synonyme: Angelik, Engelbrustwurz, Erzenengel, Gartenangelik, Giftwürze, Heiligenbitter, Heiliggeistwurz, Theriakwurzel. Englisch: Archangel, garden angelica, holy ghost, wild parsnip.

Artgliederung: Es existieren 2 Unterarten, die ssp. archangelica THELLUNG und die ssp. litoralis (FRIES) THELLUNG, im Himalaja ferner eine Varietät, die var. himalaica CLARKE.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Zwei- bis vierjährige, bis 3 m hoch werdende Pflanze, die nach dem (einmaligen) Blühen abstirbt. Sämtliche Teile aromatisch duftend. Die unterirdischen Teile bestehen aus einem kräftigen, bis armdicken und meist kurzen Wurzelstock, dem zahlreiche, etwa 1 bis 6 mm dicke Adventivwurzeln in alle Richtungen entspringen. Der aufrechte, im oberen Teil ästige Stengel ist am Grunde bis armdick, fein gerillt, kahl, oft rotbraun angelaufen und markig-röhrig. Die Laubblätter sind hellgrün gefärbt und groß, die unteren mit einer Länge von 60 bis 90 cm, die oberen proportional kleiner, dreifach fiederschnittig, gelegentlich völlig geteilt (= dreizählig) oder sogar mehrfach zerschnitten. Der Blattrand ist ungleich eingeschnitten-gezähnt oder gesägt und die Zähne laufen in eine weiße Stachelspitze aus. Die Blattspreitenabschnitte letzter Ordnung sind eiförmig oder eiförmig-lanzettlich. Die großen, einen Durchmesser von 8 bis 15 cm aufweisenden Doppeldolden sind etwa 20- bis 40strahlig und von halbkugeliger, gedrungener Form. Hüllblätter fehlen, Hüllchenblätter zahlreich vorhanden und von linealisch-pfriemlicher oder fast borstlicher Gestalt. Die Kronblätter sind grünlich-weiß, gleichförmig, etwa 1 bis 1,5 mm lang und 0,75 bis 1,25 mm breit. Die 2,5 bis 3 mm langen Staubfäden ragen weit über die Kronblätter hinaus. Die Griffel sind zur Blütezeit kurz, fast warzenförmig (kürzer als das breite, flache Griffelpolster). Blütezeit: Juni bis August.

Verbreitung: Die Unterart litoralis ist in Nordeuropa heimisch, wogegen die Unterart archangelica in Mitteleuropa und Skandinavien kultiviert wird. Das Gesamtverbreitungsgebiet von A. archangelica reicht von Mitteleuropa bis nach Sibirien und den Kaukasus, im Fall einer Unterart bis ins Himalaja. Kultiviert wird die Art in vielen Ländern Europas (u. a. Frankreich, Deutschland), in denen sie auch verwildert anzutreffen ist. Die Pflanze wächst bevorzugt auf feuchten Wiesen, in Flachmooren, an Flussufern, in Gebüschen und lichten Wäldern, zuweilen auch an Straßenrändern.

Droge: Das ganze oder geschnittene, sorgfältig getrocknete Rhizom und die Wurzeln mit einem Mindestgehalt an ätherischem Öl von 2,0 ml/kg getrocknete Droge (0,2 %).

Beschreibung der Droge: Wurzelstock außen grau- oder rotbraunen, bis 50 mm dicken und quergeringelt. Die anhängenden Wurzeln sind bis 10 mm dick, nahezu zylindrisch, groblängsfurchig, wenig verzweigt und außen ebenfalls grau- oder rotbraun. Ihre Länge kann bis 30 cm betragen. Der Querbruch ist uneben. Im Querschnitt erkennt man die grauweiße, schwammige Rinde, die von braunen Exkretgängen durchzogen ist, und den hellgelben bis braungelben Holzkörper.

Geruch und Geschmack: Aromatischer, stark würziger Geruch und zunächst aromatischer, dann scharfer, bitterer und anhaltend brennender Geschmack.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Angelikawurzel, Brustwurz, Erzengelwurz, Gartenangelika, Giftwürze, Heiligenbitter, Heiligenwurzel, Heiliggeistwurz, Theriakwurzel, Waldbrustwurz, Zahnwurzel. Englisch: Angelica root. Lateinisch: Radix angelicae.

Herkunft: Praktisch ausschließlich aus dem Anbau. Hauptlieferländer sind Polen und Holland. Gelegentlich kommt die Droge auch aus Belgien, Deutschland (Thüringen und Erzgebirge), Italien und der Tschechischen Republik.

Inhaltsstoffe: Wichtigste Komponente ist das ätherische Öl, welches zu etwa 0,35 bis 1 % in der Pflanze vorkommt und zum überwiegenden Teil aus Monoterpenen besteht, wobei Kohlenwasserstoffe dominieren. Hauptkomponenten sind ß-Phellandren (etwa 13 bis 28 %), α-Phellandren (2 - 14 %) und α-Pinen (14 - 31 %), weitere Bestandteile Camphen, δ-Caren, 1,8-Cineol, Limonen, Myrcen, ß-Pinen, Sabinen und α-Terpinen. Sesquiterpene mit ß-Bisabolen (Humulen), Bisabolol, ß-Caryophyllen, Copaenderivaten und Nitrophellandrenderivaten bilden einen Anteil von etwa 4 bis 7 %. Bemerkenswert ist das Vorkommen verschiedener makrozyklischer Lactone als Bestandteile des ätherischen Öls (Tri-, Penta-, Hepta-, 12-Methyltrideca- und 15-Oxypentadecanolid), die zugleich wesentlich für den typischen Geruch des Öls verantwortlich gemacht werden. Weitere wichtige Bestandteile der Droge sind Cumarine, darunter insbesondere mehr als 20, zum Teil prenylierte Furanocumarine (u. a. Angelicin, Archangelicin, Bergaptin, Isoimperatorin, Xanthotoxin), die prenylierten Cumarine Osthenol und Osthol, das Hydroxycumarin Umbelliferon, das Chromon Peucenin-7-methylester und verschiedene Pflanzensäuren (sowohl Phenylpropansäuren als auch Fruchtsäuren). Weitere Komponenten sind das Flavanon Archangelenon, ca. 24 % Zucker, 6 % Harz, Wachse, Gerbstoffe und Stärke.

Wirkungen: Für das ätherische Öl der Droge wurde tierexperimentell eine spasmolytische Wirksamkeit nachgewiesen.

Anwendungsgebiete: Bei Appetitlosigkeit und dyspeptischen Beschwerden wie leichten Magen-Darm-Krämpfen, Völlegefühl und Blähungen.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: Äußerlich als mildes Hautreizmittel zur Durchblutungsförderung. Als Badezusatz bei rheumatischen Beschwerden. Innerlich bei Husten und Bronchitis (daher die volkstümliche Bezeichnung als Brustwurz), bei Menstruationsbeschwerden und nervöser Schlaflosigkeit, überwiegend jedoch auch, meist als Bestandteil von Teemischungen, zur Behandlung von Appetitlosigkeit, Leber- und Gallenwegserkrankungen sowie bei Magen- und Darmbeschwerden. Die Wirksamkeit bei diesen Anwendungsgebieten wurde bisher nicht bewiesen.

Gegenanzeigen: Nicht bekannt.

Unerwünschte Wirkungen: Die in der Droge enthaltenen Furanocumarine machen die Haut lichtempfindlicher (Photosensibilisierung). Daher können bei gleichzeitiger intensiver Einwirkung von UV-Licht (Sonnenstudio bzw. intensives Sonnenlicht) Hautentzündungen auftreten. Daher sollte während der Anwendung von Angelikawurzel oder deren Zubereitungen auf längere Sonnenbäder und intensive UV-Bestrahlung verzichtet werden.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Nicht bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Die mittlere Tagesdosis beträgt 4,5 Droge. Soweit nicht anders verordnet wird mehrmals täglich eine mäßig warme Tasse des wie folgt zubereiteten Teeaufgusses eine halbe Stunde vor den Mahlzeiten getrunken: 1 Teelöffel voll (2-4 g) Angelikawurzel wird mit siedendem Wasser (ca. 150 ml) übergossen und nach etwa 10 Minuten durch ein Teesieb gegeben. Der Tee kann auch durch eine kurze Abkochung bereitet werden.

Sonstige Verwendung: In der Nahrungsmittelindustrie zur Herstellung von Gewürzextrakten, Kräuterlikören und Bitterschnäpsen (z. B. Boonekamp, Benediktiner, Kartäuser, Charteuse), gemeinsam mit Wacholderbeeren zur Herstellung von Gin.


Bilder:
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Angelica archangelica: Die Art ist eine bis 2,5 m hoch werdende Staude mit 2- bis 3fach gefiederten Blättern, die in allen gemäßigten Zonen Europas und Asiens beheimatet ist und häufig an feuchten Standorten, bevorzugt Gewässerufern, anzutreffen ist.

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Literatur: Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, Folgeband 2, Drogen A-K, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1998, S. 664-670; M. Wichtl (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 1997; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 101 vom 01.06.1990; Europäisches Arzneibuch, 4. Ausgabe, 2. Nachtrag sowie 5. Ausgabe, Grundwerk 2005.


© Thomas Schöpke