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Schafgarbenkraut - Millefolii herba [Ph. Eur. 7.0 (07/2010:1382)]

Stammpflanze: Achillea millefolium L. / Gemeine bzw. Gewöhnliche Schafgarbe [Fam. Asteraceae / Korbblütengewächse]. Synonyme: Achillea borealis Bong., Achillea lanulosa Nutt., Achillea magna auct., Achillea millefolium subsp. borealis (BONG.) BREITUNG, Achillea millefolium subsp. lanulosa (NUTT.) PIPER, Achillea millefolium subsp. millefolium, Achillea millefolium var. occidentale DC. Dt. Synonyme: Zu den zahlreichen volkstümlichen, meist nur regional gebrauchten und heute oft nicht mehr geläufigen Bezeichnungen zählen Achillenkraut, Barbenkraut, Bauchwehkraut, Blutkraut, Blutsteller, Blutstillkraut, Fasankraut, Feldgarbe, Gachelkraut, Garbe, Gerbel, Gerwel, Grensing, Grenzwurzel, Grillenkraut, Grützblume, Grützenkraut, Hasengarbe, Hasenkraut, Heil aller Schaden, Hunderippe, Hundertblatt, Johanniskraut, Judenkraut, Jungfernkraut, Kachel, Katzenschwanz, Lämmerschwanz, Leiterl, Margaretenkraut, Neukraft, Pissblum, Rattenschwanz, Röllike, Rolse, Schafrippe, Schafzunge, Sichelkraut, Tausendblatt, Teeblume, Weißer Reinfarn und Wundkraut. Englisch: Blood wort, milfoil, Nosebleed, Sanguinary, Tansy, Thousand Seal, Woundwort, yarrow.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Mit Achillea millefolium L. nahe verwandt sind Achillea setacea WALDST. et KIT. (Feinblättrige Schafgarbe), A. collina BECKER ex RCHB. (Hügel-Schafgarbe), A. pannonica SCHEELE (Ungarische Schafgarbe), A. pratensis SAUKEL et LÄNGER (Wiesen-Schafgarbe) und A. roseoalba EHREND. (Blassrote / Südalpen-Schafgarbe). Weiterhin existieren eine Reihe von Hybriden. Die Bestimmung dieser Arten ist sehr schwierig, so dass sie zur Artengruppe Achillea millefolium agg. "Gewöhnliche Schafgarbe" zusammengefasst werden. Die von Juli bis Oktober blühende Achillea millefolium L. (s. str. = im engeren Sinne) wird im Durchschnitt 30 bis 60 cm hoch, in Ausnahmefällen auch bis 1,20 Meter. Ein gemeinsames Merkmal der Artengruppe und zugleich sicheres Unterscheidungsmerkmal von den übrigen Achillea-Arten ist das Vorhandensein von unterirdischen Ausläufern. Die Stengel sind meist aufrecht und erst in der oberen Hälfte der Pflanze verzweigt. Die Pflanze kann kahl oder mäßig behaart sein oder an den Knoten oder Blättern eine dichte Behaarung aufweisen. Die (2)3-4fach fiederschnittigen, 0,5 bis 5 cm breiten Grundblätter sind häufig 1/2-1mal so lang wie die ganze Pflanze und tiefer geteilt als die Stengelblätter. Letztere sind 2-4fach fiederschnittig mit linealischen oder lanzettlichen Endzipfeln. Die unteren, meist gestielten Stengelblätter besitzen bis 0,5 mm breite Endzipfel, die mittleren Stengelblätter sind bis 20 oder seltener bis 30 mm breit. Die Blütenkörbchen sind klein und in dichten, bis 15 cm breiten Schirmrispen angeordnet, die auch als Trugdolden bezeichnet werden. Die über 2 mm dicken Blütensprosse besitzen wenige bis zahlreiche Glieder, die im Mittel 2 bis 4 cm und höchstens (längstes Glied) bis 8 cm lang sind. Die Hülle der Blütenkörbchen ist ca. 4 mm lang. Sie besteht aus strohfarbenen Hüllblättern, die einen gelblichen oder hell- bis schwarzbraunen Rand aufweisen können. Blütenkörbchen mit Röhren und Zungenblüten, Kopfboden mit zahlreichen Spreublättern. Die Zungen der vier bis fünf weißen oder rosa bis purpurnen, randständigen Zungenblüten sind kürzer als die Blütenhülle. Die in der Mitte der Körbchen stehenden Röhrenblüten besitzen eine weiße bis graue Farbe. Die Achänen(früchte) besitzen eine durchschnittliche Länge von 1,9 mm.

Verbreitung: Heimisch in der gemäßigten Klimazone nahezu der gesamten Nordhemisphäre. Durch Verschleppung heute auch auf der Südhalbkugel vielfach eingebürgert. In Mitteleuropa weit verbreitet. Bevorzugt anzutreffen in Xerothermrasen, reicheren Sandtrockenrasen, frischen bis trockenen Wiesen und Weiden, mehrjährigen Ackerkulturen, Trockengebüschsäumen und an Ruderalstellen wie Bahndämmen und Wegrändern.

Droge: Die ganzen oder geschnittenen, getrockneten, blühenden Triebspitzen von Achillea millefolium L., die bezogen auf die getrocknete Droge einen Mindestgehalt an ätherischm Öl von 2 ml/kg sowie mindestens 0,02 Prozent Proazulene enthalten, berechnet als Chamazulen. Hinweis: Obwohl das Europäische Arzneibuch Achillea millefolium L. ohne Zusatz (Zusatz = sensu latiore / im weiteren Sinne oder Achillea-millefolium-Gruppe oder Achillea millefolium agg.) als Stammpflanze nennt, ist davon auszugehen, dass wegen der schweren Abgrenzung der Arten auch die anderen zur Artengruppe Achillea millefolium gehörenden Arten (siehe "Botanische Beschreibung der Stammpflanze") zur Drogengewinnung herangezogen werden.

Beschreibung der Droge: Der ein helles Mark besitzende Stengel ist grün, teilweise braun oder violett überlaufen, behaart, längsrinnig und bis 3 mm dick. Die 2- bis 3fach fiederschnittigen, grünen oder graugrünen, auf der Oberseite schwach und auf der Unterseite stärker behaarten Laubblätter haben schmale, in eine weißliche Spitze auslaufende Zipfel. Die am Ende des Sprosses trugdoldig angeordneten Blütenkörbchen besitzen einen Durchmesser von 3 bis 5 mm. Sie bestehen aus einem Hüllkelch, meist 4 oder 5 randständigen Zungenblüten und 3 bis 20 Röhrenblüten im Zentrum. Der Hüllkelch besteht aus 3 Reihen dachziegelig angeordneter grüner, lanzettlicher, behaarter Blättchen, die einen bräunlichen oder weißlichen, trockenhäutigen Rand besitzen. Der leicht gewölbte Blütenboden trägt in den Achseln von Spreublättern die Zungenblüten mit weißlicher oder rötlicher, 3zipfeliger Zunge und die Röhrenblüten mit gelblicher oder hellbräunlicher, radiär gebauter, 5zipfeliger Blütenkrone.

Geruch und Geschmack: Leicht aromatischer Geruch und etwas bitterer, schwach aromatischer Geschmack.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Achillea-millefolium-Kraut, Achilleskraut, Bauchwehkraut, Feldgarbenkraut, Garbenkraut, Grundheil, Jungfrauenkraut, Katzenkraut, Schafgarbenkraut, Schafrippenkraut. Englisch: Milfoil, Nosebleed, Yarrow. Lateinisch: Herba Achilleae millefolii, Herba Achillea albae, Herba Millefolii.

Herkunft: Sowohl aus dem Anbau als auch aus der Sammlung von Wildvorkommen. Hauptlieferländer sind die ost- und südosteuropäischen Länder.

Gewinnung der Droge: Zur Vermeidung von Verlusten an Azulenen wird die Droge im Schatten getrocknet. Bei günstiger Witterung dauert so der Trocknungsprozess etwa eine Woche. Als Alternative wurde die Trocknung mittels IR-Bestrahlung innerhalb von 4 bis 6 Stunden beschrieben.

Inhaltsstoffe: Aufgrund der hohen Diversität der Stammpflanze gibt es auch bei den Inhaltsstoffen starke Variationen. Ätherisches Öl: Gehalt 0,1 bis über 1,0 %. Identifiziert wurden bislang über 100 Bestandteile. Hauptkomponenten sind meist Monoterpene wie ß-Pinen (bis 23 %), Campher (bis 20 %), 1,8-Cineol (bis 10 %) und α-Pinen (ca. 5 %) sowie Sesquiterpene wie ß-Caryophyllen (bis 10 %) und Germacren D. Das durch Wasserdampfdestillation gewonnene ätherische Öl enthält ferner durchschnittlich 6 bis 19 % und maximal 40 % Azulen. Sesquiterpenlactone: Guajanolide (Proazulene): Gehalt in offizineller Droge mindestens 0,02 %. Bedeutungsvolle Komponenten sind Achillicin (= 8α- Acetoxy- 10-epi- artabsin), 8α- Angeloxy- 10-epi- artabsin, 8α- Tigloxy- 10-epi- artabsin, 8-Desacetyl- 8α-tigloylmatricin, 8-Desacetyl- 8α-tigloyl- 4-epi-matricin, 2,3-Dihydrodesacetoxymatricin, Rupicolin A und Rupicolin B. Nicht azulenogene Guajanolide: Achillin, Desacetoxymatricarin (= Leucodin) und das Peroxid α-Peroxyachifolid. 3-Oxa-guajanolide: 3-Oxa-achillicin, 8α-Angelicoyl- 3-oxa-artabsin (= 8α-Angelicoylegeloid). Germacranolide: Acetylbalchanolid, Balchanolid, Dehydroparthenolid, Millefolid, Millefin und Achillifolin. Eudesmanolide: Dihydroreynosin, Tauremisin. Longipinen-Derivate: Achimillsäuremethylester A, B und C, α-Longipin-2-en-1-on, 7ß-Hydroxy-α-longipin-2-en-1-on. Flavonoide: Insbesondere Flavone. 7-O-Glykoside und 7-O-Malonylglykoside von Apigenin und Luteolin, C-Glykoside wie Orientin, Isoorientin, Vitexin, Swertinin und Schaftosid sowie lipophile, methylierte oder methoxylierte Aglykone wie Casticin, Artemetin, 6-Hydroxy-luteolin-6,7,3',4'-tetramethylether. In geringerer Menge Flavonole (Glykoside des Quercetins wie z. B. Rutin). Polyine: U. a. Ponticaepoxid, cis- und trans-Matricariaester. Weitere Bestandteile: Phenolcarbonsäuren, Cumarine sowie die stickstoffhaltigen Betaine L-(-)-Hydroxystachydrin (= Achillein = Betonicin), L-(-)-Stachydrin und Betain (= Glycinbetain).

Wirkungen: Choleretisch, antibakteriell, adstringierend und spasmolytisch. Weiterhin wurde für zahlreiche Inhaltsstoffe der Schafgarbe eine antiphlogistische (Sesquiterpenlactone, Azulene, Germacranolide) und ödemhemmende Wirkung (Guajanolide, 3-Oxa-Guajanolide, Peroxyguajanolide) nachgewiesen. Neben diesen für die Anwendung der Droge bedeutungsvollen pharmakologischen Wirkungen zeigten einzelne Inhaltsstoffe bzw. Extrakte antitumorale, antifungale und antihepatotoxische Effekte.

Anwendungsgebiete: Schafgarbe gilt als Ersatz für die Kamille und wird daher in fast identischer Weise angewendet. Indikationsgebiete entsprechend Monographie der Kommission E sind bei Einnahme Appetitlosigkeit und dyspeptische Beschwerden wie leichte, krampfartige Beschwerden im Magen-Darm-Bereich sowie in Form von Sitzbädern Pelvipathia vegetativa (schmerzhafte Krampfzustände psychovegetativen Ursprungs im kleinen Becken der Frau).

Volkstümliche Anwendungsgebiete: In der Volksheilkunde neben den oben genannten Indikationsgebieten auch als Wundheilmittel und zur Behandlung entzündlicher Hauterkrankungen verwendet. Obwohl für diese Indikation die Wirkung nicht durch klinische Studien belegt wurde, erscheint sie infolge der Inhaltsstoffe und der über Jahrhunderte erzielten positiven Erfahrungen als wahrscheinlich. Weitere volkstümliche Anwendungsgebiete sind bei innerlicher Verwendung  Leber-Galle-Leiden, Blasen- und Nierenerkrankungen, Menstruationsstörungen, Durchfälle, Fieber und Schmerzen, bei äußerlicher Anwendung Hämorrhoiden, Blutungen, Blutergüsse, Verbrennungen sowie in Form von Bädern übermäßige Schweißbildung.

Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Schafgarbe und andere Korbblütler.

Unerwünschte Wirkungen: Sehr selten können sowohl nach äußerlicher als auch innerlicher Anwendung allergische Reaktionen mit Ausschlägen, Bläschenbildung und Juckreiz auftreten.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Keine bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Die empfohlene Tagesdosis beträgt bei Einnahme 4,5 g Schafgarbenkraut. Zur Teebereitung 2 gehäufte Teelöffel voll Schafgarbenkraut (1 Teelöffel entspricht ca. 1,5 g) der fein geschnittenen Droge mit 1/4 Liter kochendem Wasser übergießen, 10 bis 15 Minuten bedeckt stehen lassen und dann durch ein Teesieb geben. Bei Appetitlosigkeit bis zu 5 Tassen täglich schluckweise 30 Minuten vor den Mahlzeiten einnehmen. Bei dyspeptischen Beschwerden einen Teelöffel geschnittener Droge mit 1 Tasse heißem Wasser übergießen, 5 Minuten abgedeckt stehen lassen und dann durch ein Teesieb geben. Mehrmals täglich eine Tasse schluckweise trinken. Zur Bereitung von Sitzbädern 100 g Schafgarbenkraut mit 1 bis 2 Liter heißem Wasser übergießen, 20 Minuten ziehen lassen, anschließend durch ein Tuch geben und auf 20 Liter verdünnen. Neben der Teezubereitung kann auch der in Apotheken erhältliche Frischpflanzenpresssaft (empfohlene Tagesdosis 3 Teelöffel) verwendet werden. Darüber hinaus sind auch aus Schafgarbenkraut hergestellte Fertigarzneimittel erhältlich.

Sonstige Verwendung: In der Kosmetik gelegentlich als Zusatz zu Schuppen-Shampoos, Gesichtscremes und Lotionen verwendet. Die frische Pflanze nutzt man in einigen Regionen als Gewürz für Salate, Eintöpfe, fette Speisen und Weichkäse.


Bilder:

Die häufig an Straßenrändern und in trockenen Wiesen anzutreffende Schafgarbe ist aufrecht (s. Abbildung links oben) und erst in der oberen Hälfte verzweigt (s. Abbildung rechts oben). Die Blätter sind mehrfach fiederschnittig, die Blütenkörbchen (s. Abbildung links unten) in einer Schirmrispe angeordnet. Sie enthalten weiße bis purpurne, weibliche Randblüten (s. Abbildung unten Mitte) und meist weiße bis graue, 5zipfelige Röhrenblüten. Letztere sind zwittrig und beim genaueren Betrachten werden die röhrig verwachsenen Staubblätter sowie Griffel und Narbe sichtbar, die sich durch die Staubfadenröhre hindurch schieben (s. Abbildung rechts unten).


Literatur: Czajka S, Die Schafgarbe und das Problem mit der Definition, Pharmazeutische Zeitung 142 (1997): 4584-4585; Europäisches Arzneibuch, 4. Ausgabe, Grundwerk 2002 und 5. Ausgabe, Grundwerk 2005; Hager-ROM 2003, Springer-Verlag; Jäger EJ, Werner KW, Rothmaler - Exkursionsflora von Deutschland, Band 4, Gefäßpflanzen: Kritischer Band, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Berlin 2002; Hänsel R, Sticher O, Steinegger E, Pharmakognosie - Phytopharmazie, Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2002; Marzell H, Wörterbuch der Deutschen Pflanzennamen, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1943; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 22a vom 01.02.1990; Schilcher H, Kammerer S, Leitfaden Phytotherapie, Urban & Fischer, München Jena 2003; USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN) [Online Database]; Wichtl M (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2002.


© Thomas Schöpke