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Echtes Goldrutenkraut - Solidaginis virgaureae herba
[Ph. Eur. 5. Ausgabe, 3. Nachtrag]

Stammpflanze: Solidago virgaurea L. / Echte Goldrute [Fam. Asteraceae / Korbblütengewächse]. Synonyme: In der Literatur noch recht weit verbreitet ist die ursprüngliche Bezeichnung von Linné Solidago virga-aurea L. Weitere in Nachschlagewerken dokumentierte Namen wie Amaphiraphis leiocarpa DC., Amaphiraphis pubescens DC., Dectis decurrens RAF., Doria virgaurea (SCOP.) CORN. oder andere Solidago-Bezeichnungen [z. B. Solidago cantonensis (L.) ARCANG und Solidago alpestris WALDST. et KIT. ex WILLD.] sind demgegenüber in der Praxis kaum anzutreffen. Dt. Synonyme: Gemeine Goldrute, Gewöhnliche Goldrute, Wilde Goldrute, Goldwundkraut, Wundkraut. Englisch: European goldenrod.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Ausdauernde, je nach Unterart bzw. Standort zwischen 10 cm und reichlich einem Meter hohe Pflanze, deren oberirdische Teile am Ende der Vegetationsperiode absterben. Auffälligstes Merkmal der Pflanze sind die zahlreichen, leuchtend gelben, bis 15 mm breiten Blütenkörbchen, die sich in einfachen oder verzweigten Trauben am Ende des unverzweigten, aufrechten, rundlichen, unten meist rötlich überlaufenen, in der Regel nur im Bereich des Blütenstandes flaumig behaarten und ansonsten kahlen Stengels befinden. Die Blätter sind locker angeordnet und besitzen eine ungeteilte, je nach Position an der Sprossachse eiförmige, elliptische bis länglich-elliptische oder lanzettliche Spreite. Die unteren Blätter weisen einen langen, schmal geflügelten Stiel auf, die oberen sind überwiegend sitzend. Der Blattrand ist mehr oder weniger gezähnt und die Blattspreite locker mit kurzen Haaren besetzt. Die Blütenköpfchen bestehen aus etwa 6 bis 12 hellgelben, flach nach außen strahlenden, weiblichen Randblüten und bräunlich-gelben zwittrigen Röhrenblüten. Der die Frucht krönende Pappus besteht aus einer Reihe etwa 5 mm langer, haarförmiger Borsten.

Verbreitung: Heimisch mit mehreren Unterarten von Algerien und Marokko über das gesamte Europa bis Japan. Die südliche Verbreitungsgrenze in Asiens liegt in Nepal, N-Indien und N-Pakistan. Ferner eingeschleppt in zahlreichen geographischen Regionen der Erde.

Droge: Die getrockneten, ganzen oder geschnittenen, blühenden oberirdischen Teile von Solidago virgaurea L., die bezogen auf die getrocknete Droge mindestens 0,5 Prozent und höchstens 1,5 Prozent Flavonoide enthalten (berechnet als Hyperosid).

Beschreibung der Droge: Die ungeschnittene Droge entspricht mit Ausnahme der stark geschrumpften Blätter der frischen Pflanze (s. Botanische Beschreibung der Stammpflanze). Der Stengel ist rund, gestreift und ebenso wie die Blätter nicht oder nur kurz behaart. Die Blütenkörbchen sind 7 bis 8 mm lang und 10 bis 15 mm breit und kurz gestielt. Am Grunde des (Körbchen-) Stieles befindet sich ein kleines, dünnrandiges Hochblatt. Auffälligste Merkmale des Blütenkörbchens sind die glockenförmige, aus in 2 bis 4 Reihen angeordneten und bis 7 mm langen Hüllkelchblättern bestehende Hülle und der aus 4 bis 5 mm langen, feinen und mehr oder weniger rauen Borsten bestehende Pappus. Die Anzahl der Randblüten beträgt 6 bis 12, die Anzahl der zentralen, röhrenförmigen Scheibenblüten 10 bis 30, die Farbe sämtlicher Blüten ist gelb. Der flachgrubige Blütenboden darf keine Spreublätter aufweisen.

Geruch und Geschmack: Der Geruch ist schwach aromatisch, der Geschmack schwach zusammenziehend.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Goldrautenkraut, Goldwundkraut, Edelwundkraut; Englisch: Golden rod, golden rod wort, goldenrod.

Herkunft: Aus Wildvorkommen der Hauptimportländer Ungarn, ehemaliges Jugoslawien, Bulgarien und Polen. In Deutschland auch Anbauprojekte, die bislang jedoch keine kommerzielle Verwertung finden.

Inhaltsstoffe: Saponine, Flavonoide und Kaffeesäurederivate. Bei den Triterpensaponinen handelt es sich zum überwiegenden Teil um Bisdesmoside der Polygalasäure (2ß,3ß,16a,23-Tetrahydroxyolean-12-en-28-säure), bei denen die Hydroxylgruppen der acylglykosidisch gebundenen Zuckerkette mit niederen Carbonsäuren verestert sind. Hauptdesacylsaponine sind Virgaureasaponin 1, 2 und 3. Die Zuckerkette am C-28 besteht aus 6-Desoxyzuckern und Pentosen, der Zuckerrest am C-3 ausschließlich aus Glucose. Die zu etwa 1,5 % vorkommenden Flavonoide gehören größtenteils zum Flavonol-Typ (Formel unten Mitte). Wichtigste Aglykone sind Quercetin, Kämpferol und Isorhamnetin. Die Zuckerreste scheinen ausschließlich in Position 3 an das Aglykon gebunden zu sein. Hauptglykosid mit einem Gehalt von ca. 0,8 % ist Rutin. Der Gesamtgehalt an Phenolglykosiden beträgt 0,2 bis 1%. Für S. virgaurea charakteristische Inhaltsstoffe sind die Salicylbenzoatderivate Leiocarposid und Virgaureosid A. Wichtigste Kaffeesäurederivate sind 3,5-Di-O-caffeoylchinasäure, Chlorogensäure (= 5-O-caffeoylchinasäure) und Neochlorogensäure (= 3-O-Caffeoylchinasäure). Als Nebenkomponente ist etwa 0,12 bis 0,5 % aus Mono- und Sesquiterpenen bestehendes ätherische Öl anzutreffen. Bemerkenswert aufgrund der ungewöhnlichen Struktur sind die Solidagolactone (Diterpene vom Clerodan-Typ). Aus der Gruppe der Primärstoffe sind insbesondere die Polysaccharide zu nennen.

Wirkungen: Als gesichert gelten die diuretische, schwach spasmolytische und antiphlogistische Wirkung. In neueren pharmakologischen Untersuchungen konnte an Pilzkulturen, isolierten Zellen sowie in Tierversuchen antifungale, immunadjuvante und zytotoxische Effekte nachgewiesen werden. Die praktische Relevanz erscheint jedoch gering und Ergebnisse aus diesbezüglichen klinischen Studien fehlen.

Anwendungsgebiete: Zur Durchspülung bei entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege, Harnsteinen und Nierengrieß; zur vorbeugenden Behandlung bei Harnsteinen und Nierengrieß.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: Zu den vielfältigen volkstümlichen Anwendungsgebieten zählen Rheuma, Gicht, nervöses Bronchialasthma und Leberschwellung. Die Wirksamkeit bei diesen Anwendungsgebieten wurde bisher nicht bewiesen. Gleiches gilt für den äußerlichen Gebrauch bei Entzündungen der Mund- und Rachenhöhle. Infolge der antiphlogistischen Wirkung der Inhaltsstoffe der Droge erscheint die zuletzt genannte Anwendung zumindest plausibel.

Gegenanzeigen: Bei Ödemen infolge eingeschränkter Herz- oder Nierentätigkeit darf die Droge nicht zur Durchspülungstherapie verwendet werden. Weitere Anwendungsbeschränkungen oder Gegenanzeigen sind nicht bekannt.

Unerwünschte Wirkungen: Keine bekannt.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Keine bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Die durchschnittliche Tagesdosis beträgt 6 bis 12 g Droge. Bei der Anwendung ist auf reichliche Flüssigkeitszufuhr zu achten. Zur Teebereitung werden 1 bis 2 Teelöffel (3-5 g) fein geschnittener Droge mit 1 Tasse kochendem Wasser übergossen und nach etwa 10 Minuten durch ein Teesieb gegeben. Falls nichts anderes verordnet wurde, ist zwei- bis viermal täglich eine Tasse zwischen den Mahlzeiten zu trinken.


Bilder:
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In Europa werden zwei Unterarten von Solidago virgaurea unterschieden. Solidago virgaurea ssp. virgaurea (linke Abbildung) ist die vielgestaltigere und am weitesten verbreitete Unterart, die mit Ausnahme der höchsten Lagen der Alpen im gesamten europäischen Verbreitungsgebiet anzutreffen ist. Demgegenüber ist die vor allem in den Hochgebirgen vorkommende Solidago virgaurea ssp. minuta (L.) ARCANG (Abbildung Mitte) eine deutlich geringere Wuchshöhe. Typisch für die gesamte Art und deutliches Unterscheidungsmerkmal zu den aus Nordamerika eingeschleppten Goldruten sind die relativ großen Blütenkörbchen mit den langen, seitlich abstehenden gelben Zungenblüten (rechte Abbildung).


Literatur: Bader G, Goldrute - eine Quelle für urologische Phytopharmaka, Dt. Apotheker Ztg. 139 (1999): 1857-8; Deutsches Arzneibuch 2001, Europäisches Arzneibuch, 5. Ausgabe, 3. Nachtrag; Bader G, Solidago - Von der Sammeldroge zum Phytopharmakon, Pharm. Ztg. 144 (1999): 1587-9; Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 2002; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 193 vom 15.10.87 (Berichtigung 13.03.90). USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN). [Online Database] National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Available: http://www.ars-grin.gov/cgi-bin/npgs/html/taxon.pl?34927 (22 January 2003); M. Wichtl (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2002.


© Thomas Schöpke